Kommentar: Wenn BHKW, dann mit Brennwertnutzung

Brennwertnutzung Titelgraftik (Grafik: BHKW-Infothek)Bei der Erhöhung der Brennstoffeffizienz mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) geht es in erster Linie um die Aktivierung des bisher vernachlässigten Exergiepotenzials. Wollen wir jedoch den Brennstoff wirklich optimal nutzen, dann müssen wir auch noch eine weitere Option konsequent nutzen: Den vollen Brennwert, also zusätzlich zu der unmittelbar bei der Verbrennung frei werdenden Wärme auch die so genannte latente Wärme im Abgas.

Die latente Wärme im Abgas wird erst bei dessen Abkühlung bis unter den Wasserdampftaupunkt freigesetzt. Der beträgt bei Erdgas 11 Prozent, bei Heizöl 6 Prozent und bei Pellets durchschnittlich 8 Prozent des unteren Heizwertes. Dabei kondensiert der im Abgas enthaltene Wasserdampf aus und es entsteht Kondensationswärme.

Die Technik zur Nutzung der Kondensationswärme im Abgas, die Brennwerttechnik, ist seit langem verfügbar und auf dem Heizkesselmarkt inzwischen bei Erdgas zum Standard geworden. Bei der KWK ist der Einsatz der Brennwerttechnik hingegen jedenfalls im mittleren und großen Anlagensegment noch die absolute Ausnahme. Immerhin, bei den Kleinst-BHKW hat sich der Marktführer Senertec schon vor dem Jahr 2000 entschieden, seine Geräte mit einem nachgeschalteten Abgaswärmetauscher für die Brennwertnutzung anzubieten, was von den Kunden, da wo es möglich ist, auch in aller Regel angenommen wird.

Im Vergleich zu integrierten Brennwertwärmetauschern, bei denen das Abgas in einem einzigen Wärmetauscher bis unter den Taupunkt abgekühlt wird, weisen nachgeschaltete Geräte einen entscheidenden Vorteil auf. Da diese Geräte über eigene Vor- und Rücklaufstutzen verfügen, kann die auf das Heizwasser übertragene Abgaswärme mit der sogenannten 2-Kreistechnik in einem eigenen Kreis genutzt werden.

Für die Brennwertnutzung vorteilhaft kann die Verwendung eines Wärme-Pufferspeicher sein, der zu jeder KWK-Anlage gehören sollte. Damit kann praktisch unabhängig vom Heizsystem ganzjährig annähernd der volle Brennwert genutzt werden. Dies liegt daran, dass der nachgeschaltete Wärmetauscher einen separaten Heizkreislauf speist, dessen Rücklauf immer das kältere Wasser aus dem untersten Bereich des – sinnvoller Weise temperaurgeschichteten – Pufferspeichers abgreift. Auf diese Weise wird das Abgas in zwei Stufen zunächst durch den normalen Abgaswärmetauscher im BHKW nur so weit abgekühlt, dass immer ein Sicherheitsabstand zur Taupunkttemperatur besteht. Der ist wichtig, um kein Korrosionsrisiko an dem metallischen ersten Wärmetauscher durch Auskondensation von Säure z.B. aus dem Verbrennungsprozess gebildeten NOx einzugehen. Dieser erste Wärmetauscher kann daher auch vom Material her relativ anspruchslos sein.

Erst im zweiten Wärmetauscher soll die Abgaskondensation stattfinden, mit darauf speziell ausgerichteten technischen Eigenschaften. Ein Wärmetauscher mit integrierter Brennwertnutzung muss ein Temperaturspektrum des Abgasabkühlprozesses von über 400 °C bis weit unter den Taupunkt abdecken, der je nach Brennstoff bei 57 °C oder deutlich darunter liegt. Er wird daher notwendigerweise Kompromisse schließen müssen. Ein nachgeschalteter Brennwertwärmetauscher muss vom Material her für die speziellen Anforderungen der Kondensatbildung geeignet sein und zudem selbstverständlich eine gute Wärmeleitfähigkeit für die Wärmeübertragung vom Abgas auf das Rücklaufwasser aufweisen. Als wärmetechnisch besonders geeignet zeigt sich hier mit seiner hohen Leitfähigkeit der Werkstoff Keramik. Und dieses Material weist noch weitere Vorteile auf, die bestens mit den Nachhaltigkeitszielen zusammengehen, mit denen die Kraft-Wärme-Kopplung verbunden ist: Die absolute Korrosionsbeständigkeit bewirkt eine lange Lebensdauer und schließt einen Abtrag von Schwermetallen ins Abwasser aus. Zudem sind keramische Werkstoffe als Ressource unbegrenzt verfügbar.

Ein erheblicher Pluspunkt der Kombination KWK plus Brennwerttechnik liegt darin, dass auch die Wirtschaftlichkeit verbessert wird. Kommt die KWK schon jetzt in vielen Fällen zu sehr interessanten wirtschaftlichen Ergebnissen, so wird ihre Attraktivität durch einen nachgeschalteten Brennwertwärmetauscher und die damit ermöglichte Erhöhung des Jahresnutzungsgrades eines BHKW um 8 bis 15 Prozentpunkte nochmals weiter verbessert. Für ein konkretes Beispiel eines BHKW mit 20 kW elektrischer und 40 kW thermischer Leistung ergibt sich:

– ohne Brennwert-WT: 4.021 € Überschuss im ersten Jahr; Amortisationszeit 4,5 Jahre
– mit Brennwert-WT: 5.309 € Überschuss; Amortisationszeit 4,1 Jahre

Bei 2.500 € Mehrkosten für einen nachgeschalteten keramischen Brennwert-Wärmetauscher amortisiert sich dieser infolge der Erhöhung des gesamt-Nutzungsgrades von 90 Prozent auf 100 Prozent (bezogen auf Hi) nach 1,9 Jahren.

Als Effizienztechnologie Nummer Eins sollte die KWK künftig nach Möglichkeit immer mit der Brennwerttechnik zusammen zum Einsatz kommen. Und möglich ist das im Prinzip fast überall. Selbst für Prozesswärme steht mit der Hochtemperatur-Brennwerttechnik eine geeignete Technologie zur Verfügung, wenngleich diese bisher noch auf eine breite Praxisumsetzung harrt.

Die Ressource Grips oder: den Apfel ganz aufessen „KWK ist so abstrakt und komplex, man müsste sie den Leuten durch ein einfaches Bild anschaulich machen.“ Das war die wichtigste Erkenntnis in einem Strategiegespräch, das im Jahre 2004 im B.KWK stattfand. Daraus reifte die Idee mit dem Apfel, dem heute jeder Besucher meiner Webseite als erstes ins Auge springt. „Nimm einen Apfel!“, steht daneben und „beiß einmal rein und wirf den Rest weg. Das ist, was in bisherigen Kraftwerken und Heizkesseln passiert. Kraft-Wärme-Kopplung bedeutet, den Apfel ganz aufzuessen.“ Ganz aufessen heißt aber in die Praxis übersetzt: Mit Brennwertnutzung.

„Den Apfel ganz aufessen“ wäre quasi wie die Nutzbarmachung einer neuen Energieressource, nennen wir sie „die Ressource Grips“. Sie besteht aus dem Wissen darüber, wie man aus der Flamme möglichst viel Nutzenergie herausholt. Diese Ressource wurde gerade in Deutschland über Jahrzehnte aufgebaut und ist sofort verfügbar. Wir müssen sie nur nutzen. Sie ist übrigens die einzige Ressource, die nicht nur erneuerbar, sondern sogar noch vermehrbar ist.

Ein Gastartikel von KWK-Experte Adi Golbach, Mitglied im BHKW-Forum e.V., Inhaber des Beratungsbüros KWK kommt und ehemaliger Geschäftsführer des B.KWK.

 

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