Verwaltungserlassentwurf: Steuererhöhung für BHKW-Betreiber

Der Entwurf eines Verwaltungserlasses (IV D 2 – S 7124/12/10001, PDF-Download am Ende des Artikels) zur umsatzsteurlichen Behandlung von Photovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerken könnte für BHKW-Betreiber eine heimliche Steuererhöhung durch die Hintertür bedeuten. Dieser Verwaltungsvorstoß ist stark zu kritisieren, findet Steuerberater Rüdiger Quermann und erläutert Ihnen ausführlich die Hintergründe.

Vorbemerkung zum Erlassentwurf
Mit ihrem Erlass will die Finanzverwaltung Einzelfragen der Umsatzbesteuerung zu KWK- und Photovoltaikanlagen klären. Der erste Eindruck einer weiteren unbedeutenden und trockenen Verwaltungsanweisung trügt: Tatsächlich verschärft die Entwurfsfassung einer geplanten Verwaltungsanweisung die Besteuerung von BHKW deutlich. Dabei geht die geplante Dienstanweisung der Finanzverwaltung weit über die Aussagen des Bundesfinanzhofs (BFH) hinaus. Die konkreten Auswirkungen hängen von der Person des Betreibers und der Kostenstruktur betroffener BHKW ab.

Den Erlassentwurf erhielten verschiedene Verbände und Berufsorganisationen zur Stellungnahme. Insbesondere aus dem Umfeld der Biogasanlagen und dem landwirtschaftlichen Bereich erklang sofort unisono lauter Protest. Einige Verbände weisen pflichtgemäß auf die große Bedeutung ihrer Klientel und die ohnehin schon übermäßige Besteuerung hin. Die üblichen Rufe nach Sonderregelungen werden laut. Ebenso wird argumentiert, dass sich die Auslegung der Finanzämter für die Umsatzsteuer auf eine unzutreffend hohe Bemessungsgrundlage für die Wärme stütze. Dies verhindere einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb. Betroffen ist allerdings allenfalls ein kleiner Kreis von BHKW-Betreibern, nicht die Allgemeinheit. Hintergrund der Forderungen sind die besonderen Umsatzsteuerregelungen für einzelne Anlagenkategorien.

Speziell im landwirtschaftlichen Bereich gibt es eine pauschale Umsatzsteuer mit einem geringen Steuersatz. Ein Vorsteuerabzug ist hier nicht möglich. BHKW gehören aber zu einem Betriebsteil, für den keine Pauschalisierung möglich ist. Im KWK-Betriebsteil gelten die allgemeinen Regelungen. Die Umsatzsteuer beträgt hier 19 Prozent. Die innerbetriebliche Leistungsabgabe und Nutzung durch den pauschalierenden Betriebsteil löst daher eine Umsatzsteuer von 19 Prozent aus. Diese Steuer ist beim pauschalierenden Betriebsteil nicht als Vorsteuer abzugsfähig und erhöht die Kosten.

Erste Reaktionen übersehen das Wichtigste
Der Hinweis auf die steuerliche Mehrbelastung übersieht trotzdem Wesentliches: Das BHKW wird teilweise für Zwecke außerhalb des Unternehmens- beziehungsweise des Betriebsteils genutzt. Erst die Ausübung des Wahlrechts auf vollständige Zuordnung zum Unternehmen erlaubt den Vorsteuerabzug und löst die Umsatzsteuer aus.

Jeder Betreiber kann seine steuerliche Situation wunschgemäß gestalten und hat das bekannte Zuordnungswahlrecht bei teilweise betrieblich genutzten Dingen. Nur eines kann er nicht: Die Vorsteuererstattung für das gesamte Objekt erhalten und dann die teilweise außerbetriebliche Nutzung nicht versteuern. Hier gilt die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage zur Gefährdung von Steuerbefreiungen durch den Betrieb einer PV-Anlage. Sinngemäß: Der Betreiber hat die Wahl zwischen den besonderen Steuervorteilen und denen einer PV-Anlage. Es ist Sache der betroffenen Unternehmens, die Vor- und Nachteile abzuwägen.

Die lautstarke Forderung der Verbände nach klientelfreundlichen Sonderregelungen verschenkt Aufmerksamkeit. Tatsächlich geht es um handfeste rechtliche Argumente, nicht nur um standesdienliche Steuerprivilegien. Die Verwaltung ignoriert zu Gunsten einer pro-fiskalischen Regelung unbestrittene technische Regelungen und Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Beinahe beiläufig zitiert die Verwaltung die Aussagen des BFH zu den Entnahmewerten von Strom und Wärme. Der Strom soll mit dem ortsüblichen Preis angesetzt werden. Bei der Selbstnutzung der Wärme sei entscheidend, ob ein Fremdbezug möglich ist. Nur dann sei der marktübliche Preis anzusetzen. Scheidet der Fremdbezug aus, seien die Selbstkosten anzusetzen. Eine einfache wie ebenso flache Aussage mit großem Tiefgang.

Wann ist ein Fremdbezug von Wärme möglich?
Der BFH fordert für den Ansatz des Marktpreises die tatsächliche Verfügbarkeit fremder Wärme. Dies ist gegeben, wenn das BHKW im Einzugsbereich eines Fernwärmeunternehmens liegt. Obwohl nicht urteilsrelevant, weist der BFH darauf hin, dass ein Vergleich mit den Kosten anderer Energieträger wie Öl oder Gas wohl bereits wegen der notwendigen Investitionskosten bei Umstellung des Wärmeträgers ausscheidet.

Die Finanzverwaltung geht von der Erreichbarkeit fremder Wärme aus, „wenn die Wärme im Zeitpunkt der Entnahme für den KWK-Anlagenbetreiber ebenso erreichbar und einsetzbar ist, wie die selbst erzeugte Wärme. Von einer Erreichbarkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn die Anlage im Versorgungsgebiet eines Wärmeversorgungsunternehmens gelegen ist, beziehungsweise in diesem Gebiet allgemein zugängliche Bezugsquellen mit entsprechendem Belieferungspotenzial vorhanden sind und der Bezug der Warme tatsächlich möglich ist. Gegebenenfalls erforderliche Anschlusskosten sind bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.“ Die Verwaltung lockert damit die Anforderungen des BFH.

Was aber ist „tatsächlich verfügbare Fremdwärme“?
Mittlerweile ist sogar Wärme in mobilen Containern verfügbar. Wärmeerzeuger stellen den Abnehmern aufgeladene Wärmeträger in mobilen Containern oder Fahrzeuganhängern zur Verfügung. Die mobilen Wärmespeicher werden ähnlich wie Gasflaschen geliefert und ausgetauscht. Einzelheiten finden Sie bei heise oder mit einer Suchmaschine Ihres Vertrauens zu den Stichworten „Wärme im Container“, „mobile Wärmespeicher“ oder „mobile Latentwärmespeicher“.

Diese mobile Wärmeversorgung dehnt das Gebiet der verfügbaren Wärme über die Grenzen von Rohrnetzen eines klassischen Fernwärmeanbieters hinaus aus. Verschiedene Verbände forderten die Verwaltung daher zur Präzisierung des Begriffes der „verfügbaren Fernwärme“ auf.

Definition der „Selbstkosten“
Nach Lesart der Verwaltung sind Selbstkosten alle tatsächlichen Kosten des BHKW einschließlich der Abschreibung und eventueller Finanzierungskosten. Damit erhöhen auch ursprünglich umsatzsteuerfreie Kosten die Selbstkosten und die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer. Es entsteht Umsatzsteuer aus dem Nichts. Das Gebot der Aufkommensneutralität der Umsatzsteuer wird durchbrochen.

Der Bundesfinanzhof äußerte sich hierzu nicht, obwohl der Erlassentwurf diesen Eindruck erweckt. Die Finanzverwaltung geht hier weit über die Aussage des Urteils hinaus. Auch dieser Punkt des Entwurfs ist angreifbar, weil er nicht der Rechtsprechung des EuGH entspricht (EuGH, Urt. v. 29.5.1997, C – 63/96, BStBl. 1997 II, S. 841 zur Mindestbemessungsgrundlage, wenn die Selbstkosten das marktübliche Entgelt übersteigen).

Der KWK-Prozess als Kuppelproduktion
Unstreitig ist, dass ein BHKW gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt. Unbestritten ist auch die gemeinsame Messgröße in Kilowattstunden (kWh). Die Verwaltung nimmt dies zum Anlass, die Erzeugungskosten im Verhältnis der erzeugten kWh Strom und Wärme gleichmäßig aufzuteilen. Die Erzeugungskosten einer kWh Wärme und einer kWh Strom sind hiernach als identisch zu betrachten. Das ist nützlich fürs Steuersäckel aber falsch in der Sache. Die gleichmäßige Kostenaufteilung übersieht sämtliche gegenteiligen technischen und betriebswirtschaftlichen Argumente.

Zugegeben handelt es sich beim Energieausstoß von KWK-Anlagen natürlich um eine Kuppelproduktion. Kuppelprodukte sind Produkte, die bei (technologisch) verbundener Produktion (Kuppelproduktion) simultan in einem Produktionsprozess entstehen, daher aus naturgesetzlichen oder technischen Gründen zwangsläufig anfallende Produkte unterschiedlicher Art und Güte entstehen.

Eine Verbundproduktion ist auch aus anderen Bereichen bekannt. Entsprechende betriebswirtschaftliche Lösungsansätze zur Kostenverteilung stehen bereit. Oft werden die Kosten nach dem Verhältnis der erzielbaren Verkaufserlöse aufgeteilt. Eine lineare Verteilung ist auch aus technischen Gründen unplausibel: Die Stromerzeugung ist der Wärmeerzeugung nachgelagert. Die Verbrennung erzeugt Wärme und durch die Ausdehnung bei diesem Prozess Bewegungsenergie, die wiederum weiter in elektrische Energie gewandelt wird. Jeder Umwandlungsprozess ist verlustbehaftet. Einzelheiten fände der geneigte Erlassentwerfer unter dem Stichwort „Carnot-Wirkungsgrad“.

Falscher Kostenaufteilungsmaßstab
Nach der Wärmeerzeugung mit der Verbrennungsmaschine erfordert die Stromerzeugung eine weitere Maschinenkomponente. Die Maschinengesamtkosten steigen auf jeder Stufe der Produktion. Bereits wegen dieser Mehrkosten kann die Abschreibung aus den Anschaffungskosten der KWK-Anlage nicht gleichmäßig verteilt werden. Die Kostenaufteilung eines BHKW ist eine typische und bereits umfassend betrachtete Problemstellung der Branche. Auch hier wird eine differenzierte Verteilung erforderlich. Einen plausiblen Rechenweg bietet beispielsweise die Richtlinienreihe VDI 2077 „Verbrauchskostenabrechnung für die Technische Gebäudeausrüstung“.

Die einheitliche Aufteilung nach kWh entspricht nicht den anerkannten Regeln der Technik und Betriebswirtschaftslehre. Sie hält auch nicht dem durch die Finanzverwaltung stets geforderten Fremdvergleich stand. Die Verwaltung lehnt eine differenzierte Verteilung dennoch strikt ab, nennt hierfür jedoch keinerlei Rechtfertigung.

Folgen des falschen Aufteilungsmaßstabs bei der Einkommensteuer
Die gleichmäßige Aufteilung nach kWh führt zu überhöhten Wärmekosten und zu geringen Stromkosten. Die Kosten der privat genutzten Wärme erhöhen die Einkommensteuer und Umsatzsteuer. Entsprechend sinken die steuersparenden Erzeugungskosten des Stroms. Für den Steuerzahler bedeutet dies schlicht und ergreifend: mehr Steuerlast!

Der Erlass regelt Fragen der Umsatzsteuer. Die Systematik der Kostenaufteilung betrifft in gleichem Maß die Einkommensteuer. Hier kann die geforderte andere Verteilung der Selbstkosten unschöne Nebenwirkungen haben. Die rechnerischen Kosten der Stromproduktion steigen und können dann über der erzielbaren Vergütung liegen. Die Produktion ist unrentabel. Ein Gewerbebetrieb im Sinne des Einkommensteuerrechts liegt dann nicht mehr vor. Als Folge wird die Verwaltung den Verlust aus dem Betrieb des BHKW nicht berücksichtigen.

Ausblick
Der BFH sieht in seinem Beschluss beim Wert der selbst genutzten Wärme ausdrücklich einen Abschlag für nicht nutzbare Abgasverluste vor. Jegliche Erwähnung dieses Umstandes oder den Vorschlag eines plausiblen Rechenwegs für eine korrekte Aufteilung entsprechend der tatsächlichen Kosten für die einzelnen Endprodukte bleibt die Verwaltung schuldig. Bereits am Erlassentwurf gibt es daher zu Recht heftige Kritik. Die sonst eher zurückhaltende Bundessteuerberaterkammer fordert eine umfassende Präzisierung und beanstandet die Einbeziehung nicht vorsteuerbelasteter Kosten in den Selbstkosten. Sie mahnt auch die Zulassung anderer Aufteilungsmethoden zur Vermeidung von derzeit absehbaren Gerichtsverfahren an. Ein gut gemeinter Wink mit dem Zaunpfahl?

Zur Untermauerung der Verwaltungsmeinung fehlt eine gesetzliche Regelung oder ein Gerichtsurteil. So bleibt die Verwaltungsanweisung eine reine innerbetriebliche Anweisung. Diese ist nicht rechtsverbindlich. Lenkt die Verwaltung nicht ein, sind in Anbetracht massiver Kritik und guter Sachargumente Klageverfahren vorprogrammiert. Die entsprechende Entwicklung sollten BHKW-Betreiber verfolgen und gegebenenfalls Widersprüche prüfen, falls die strittigen Punkte des Erlassentwurfs bei ihm zur Anwendung kommen sollten. Vom Ausgang auch eines fremden Klageverfahrens kann er nur profitieren.

Ein Artikel von Steuerberater und Diplom-Finanzwirt Rüdiger Quermann
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PDF: Entwurf des BMF zur umsatzsteuerlichen Behandlung von BHKW
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