HMI 2015: MTT vor Markteinführung der Mikrogasturbine EnerTwin

MTT EnerTwin auf der ISH 2015Das niederländische Unternehmen MTT plant nicht weniger als eine kleine technische Revolution im Heizungskeller: Während der Einsatz von Gasturbinen in großen Kraftwerken mit mehreren Megawatt Leistung gängige Praxis ist, haben selbst die kleinsten Mikrogasturbinen mindestens 35 kW Leistung und kommen aus wirtschaftlichen Gründen fast ausschließlich in Sonderfällen wie der Prozessdampferzeugung zum Einsatz. Nachdem im Segment der Nano-BHKW neben dem Verbrennungsmotor seit einigen Jahren auch zunehmend Stirlingmotoren zum Einsatz kommen und die Brennstoffzellentechnik ebenfalls auf dem Vormarsch ist, plant MTT mit der Mikrogasturbine EnerTwin bereits ab 2016 eine neue Technologie im Segment der Mikro-BHKW zu etablieren. Gleichwohl der Gasturbine ein vergleichsweise geringer elektrischer Wirkungsgrad anhaftet, sprechen handfeste Gründe für einen möglichen Erfolg des EnerTwin.


Video: Vorstellung des EnerTwin durch Willy Ahout auf der Hannover Messe 2015

Geringe Wartungskosten
Mikro-BHKW mit Verbrennungsmotor benötigen eine regelmäßige und umfangreiche Wartung. Ganz gleich, ob das BHKW 1 kW oder 20 kW Leistung bereitstellt, ist der Arbeitsumfang nahezu identisch. Besonders im kleinen Leistungsbereich führt dieser Wartungsaufwand nach Erfahrung der BHKW-Infothek regelmäßig zu Kosten zwischen 4 und 9 Cent je kWh und belastet damit die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen. Während sich bei Nano-BHKW aus diesem Grund der wartungsfreie Microgen-Stirlingmotor etablieren konnte, sind Verbrennungsmotoren im Segment der Mikro-BHKW bisher noch ohne Alternative. Genau an diesem Punkt setzt des Konzept des EnerTwin an: „Unser Ziel sind Wartungskosten im Bereich von 1,3 Cent je erzeugter Kilowattstunde Strom“, schwärmt Willy Ahout, Geschäftsführer der Micro Turbine Technology BV (MTT), im Gespräch mit der BHKW-Infothek auf der Hannover Messe 2015. „Der EnerTwin erfordert alle 5.000 Stunden eine einfache Inspektion und nach weiteren 5.000 Stunden einen Ölwechsel. Verschleißteile im klassischen Sinn besitzt der EnerTwin nicht“, so Ahout. Lediglich Filter seien zu wechseln und wenn die eigentliche Turbine das Ende ihrer Lebensdauer erreicht, soll ein kompletter Wechsel nur etwa 800 Euro kosten.

Herzstück des EnerTwin: Eine Mikrogasturbine auf Basis eines KFZ-Turboladers

Herzstück des EnerTwin: Eine Mikrogasturbine auf Basis eines KFZ-Turboladers

Technisches Konzept
Herzstück des EnerTwin ist ein umgebauter KFZ-Turbolader, der mit einem Generator von ATE gekoppelt ist. Mit 180.000 bis 240.000 Umdrehungen pro Minute erzeugt diese Konstruktion laut Datenblatt bedarfsgerecht modulierend zwischen 1 und 3 kW elektrischer Leistung bei einer Wärmeauskopplung von 6 bis 15 kW und soll mit 90 Prozent Gesamtwirkungsgrad mindestens 30.000 Betriebsstunden halten. Die Steuerung des EnerTwin besitzt Anschlüsse für OpenTherm, RS-485, 0-10V sowie Modbus zur Ansteuerung durch eine übergeordnete Steuerung, kann aber auch selbst einen Spitzenlastwärmeerzeuger anfordern, weitere EnerTwin in Kaskadenschaltungen ansteuern und lässt sich mittels Ethernet auch aus der Ferne überwachen sowie parametrieren. Mit einem Schallpegel von 55 dB(a) soll der EnerTwin zudem nicht lauter arbeiten, als vergleichbare BHKW mit Verbrennungsmotor. An Brennstoffen wird vorerst nur Erdgas unterstützt. An einer Variante für den Betrieb mit Heizöl wird zwar zusammen mit dem Öl-Wärme-Institut (IWO) geforscht, konkrete Fortschritte sind an dieser Stelle jedoch nicht zu vermelden und auch eine Variante für Flüssiggas steckt lediglich im Konzeptstadium.

Steuerung des EnerTwin mit umfangreichem Schnittstellenangebot

Steuerung des EnerTwin mit umfangreichem Schnittstellenangebot

Feldtests und Markteinführung
Im niederländischen Eindhoven arbeiten mittlerweile 17 Personen an der Entwicklung des EnerTwin und der für 2016 geplanten Markteinführung des Gerätes. Nach dem Entwicklungsstart in 2008 und mehreren Vorseriengenerationen wurde Mitte 2013 mit dem ersten europäischen Feldtest begonnen. In Deutschland werden seitdem zwei EnerTwin beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart unter Laborbedingungen sowie jeweils zwei Systeme bei den Stadtwerken Dresden (Drewag) sowie E.ON und ein EnerTwin vom Fraunhofer-Institut erprobt. Die Erfahrungen aus diesem Test führten zu einer veränderten Brennkammergeometrie sowie einer Verringerung der elektrischen Leistung von erst 3,8 kW auf jetzt 3,0 kW aber andererseits zu einer gesteigerten thermischen Ausnutzung und damit einem höheren Gesamtwirkungsgrad. Seit Februar wird die zweite Feldtestgeneration neben Standorten in den Niederlanden und Deutschland auch in Frankreich, Belgien und Italien erprobt.

Blick in das Innere des EnerTwin

Blick in das Innere des EnerTwin

Niedrige Kosten als Schlüssel zum Erfolg
Sofern die Erprobung der aktuellen 2. Feldtestgeneration problemlos voranschreitet, sei eine Markteinführung in Deutschland bereits Anfang 2016 zu erwarten, erklärt Ahout. Und nicht nur bei der Wartung, auch bei der Anschaffung will MTT mit niedrigen Kosten punkten: Etwa 12.500 bis 13.000 Euro soll der EnerTwin zur Markteinführung kosten. Derzeit sucht MTT nach Vertriebspartnern für die bevorstehende Markteinführung des EnerTwin. Neben Installationsbetrieben sieht Ahout auch in Gasversorgern wie Stadtwerken gute Partner für den Vertrieb des EnerTwin im Contracting. Aus Sicht der BHKW-Infothek könnte das vollkommen neue Konzept des EnerTwin eine echte Bereicherung für das Mikro-KWK-Marktsegment werden – sofern die angepeilten Wartungs- und Ersatzturbinenkosten sowie die Lebensdauererwartung von mindestens 30.000 Stunden auch praktisch eingehalten werden können. (lfs)

Mehr: Alle Meldungen der BHKW-Infothek zur Hannover Messe
Datenbank: Komplette Mikro-BHKW Übersicht
Webseite: Webseite von Micro Turbine Technology

MTT EnerTwin auf der ISH 2015

Auch auf der ISH 2015 wurde ein MTT EnerTwin Komplettsystem ausgestellt

 

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