6. Contracting

Viele Gebäudeeigentümer scheuen die Investitionskosten in ein BHKW, möchten das unternehmerische Betriebsrisiko nicht tragen oder wollen die mit dem Betrieb verbunden Aufgaben einem spezialisierten Dienstleister übertragen. In diesen Fällen bietet sich ein so genanntes Contracting an.

Das Wort „Contracting“ an sich ist ein relativ unbestimmter Begriff und erfasst eine Vielzahl von möglichen Konstellationen. Allen Contractingformen gemein ist, dass zwischen dem Gebäudeeigentümer und einem spezialisierten Dienstleistungsunternehmen ein Vertrag (engl. contract) über die Erfüllung bestimmter Leistungen bzw. Verpflichtungen geschlossen wird. Der Contractor übernimmt fortan die vertraglich bestimmten Aufgaben und erhält dafür eine ebenfalls vertraglich bestimmte Entlohnung.


Für den Gebäudeeigentümer kann der Vorteil des Contractings in vermiedenen Investitionskosten, effizienterer Betriebsführung durch spezielles Know-how des Contractors, vermiedenem Risiko oder schlicht höherer Bequemlichkeit liegen. Im Gegenzug entstehen dem Gebäudeeigentümer durch das Contracting jedoch auch nicht unerhebliche Kosten, da auch das Contracting Unternehmen profitorientiert handelt. Zudem sollte bei Eingehung eines Contractings die zumeist sehr lange Vertragsdauer, von zum Teil mehr als 15 Jahren, bedacht werden. Entsprechende Verträge sollten daher sorgsam bedachte Preisanpassungsklauseln enthalten.

Angeboten wird Contracting von BHKW Herstellern, Energieversorgungsunternehmen, Gas- und Ölhändlern, Handwerksbetrieben, spezialisierten Contracting Unternehmen bis hin zu Messdienstleistern. So vielfältig wie die Anbieter sind auch deren Motive. Energieversorgungsunternehmen können beispielsweise neben dem direkten Profit aus dem Contracting, den Absatz Ihrer Energie über viele Jahre sichern und durch ferngesteuerte BHKW Anlagen Regelenergie in Form von virtuellen Kraftwerken am Energiemarkt platzieren. Weitere Informationen zu Anbietern finden Sie auch in unserem Artikel Contracting Anbieter.

Aufgrund der Vertragstypenfreiheit besteht eine unbegrenzte Anzahl möglicher Contracting Konstellationen. Grundsätzlich lassen sich entsprechende Verträge jedoch in vier Kategorien einteilen, welche wir an dieser Stelle näher erläutern möchten.

Finanzierungs-Contracting

Beim Finanzierungs-Contracting, welches auch unter den Begriffen Third-Party-Financing und Anlagenbau-Leasing bekannt ist, wird die Anlage vom Contracting-Nehmer in einer Art Leasing betrieben. Dabei steht die Anlage im Eigentum des Contractors und wird durch den Contracting-Nehmer lediglich als Besitzer genutzt. Betriebsführung, Wartung und Reparaturen obliegen in der Regel dem Contracting-Nehmer, welcher für die Bereitstellung und Abnutzung der Anlage eine Leasinggebühr an den Contractor entrichtet.

 

Betriebsführungs-Contracting

(Grafik: energiewerkstatt)

Beim Betriebsführungs-Contracting übernimmt der Contractor einen vertraglich bestimmten Aufgabenkreis. Dieser kann sich auf die reine Wartung, Instandhaltung und Reparatur der Anlage beschränken, sich jedoch auch über Brennstoffeinkauf, Abrechnung mit dem Netzbetreiber, Immissionsmessung und Abrechnung mit Mietern im Namen und auf Rechnung des Contracting-Nehmers erstrecken. Vielen BHKW-Betreibern ist das Betriebsführungs-Contracting in Form von Vollwartungsverträgen bekannt, welche sich bei BHKW Betreibern großer Beliebtheit erfreuen. Im Gegensatz zu einem einfachen Wartungsvertrag, welcher lediglich die planmäßigen Wartungsarbeiten, Betriebsstoffe und Verschleißteile abdeckt, sind beim Vollwartungsvertrag auch erforderliche außerplanmäßige Reparaturen abgedeckt. Durch diese versicherungsähnliche Absicherung erhält der BHKW Betreiber planbare Betriebskosten. Zu beachten ist dabei, dass die Kosten für Reparaturen und Verwaltung der Anlage keine umlagefähigen Kosten im Sinne der Heizkostenverordnung sind. BHKW Betreiber müssen folglich die Kosten eines Vollwartungsvertrages, vor Umlage auf die Mieter, in den Heizkosten um einen Anteil für Reparatur und ersparten Verwaltungsaufwand bereinigen.
So auch Lammel, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 7 HeizKV, Rdnr. 35.

 

Energiespar-Contracting

Ziel des Energiespar-Contractings ist zumeist die Einsparung von Brennstoff oder bezogener Energie in anderer Form um eine Kostensenkung herbeizuführen. Die Vergütung des Contractors erfolgt zumeist durch einen vertraglich vereinbarten Anteil an der erzielten Einsparung. Die Bemessung der Einsparung erweist sich in der Praxis oftmals als problematisch, da neben der Optimierung der Anlage auch andere Faktoren wie Wetterbedingungen und wechselndes Nutzerverhalten eine Rolle beim Brennstoffverbrauch spielen. Je nach Ausgestaltung des Vertrages, können die Aufgaben des Contractors von reiner Beratungstätigkeit, über Verbesserungen der Anlage, bis hin zum Einsatz und Betrieb eines BHKW Moduls durch den Contractor reichen.

 

Energieliefer-Contracting

Contracting ermöglicht virtuelle dezentrale Kraftwerke
(Foto: Steag, Lizenz: GNU)

Beim Energieliefer-Contracting, auch Anlagen-Contracting und Nutzenergie-Contracting genannt, übernimmt der Contractor die Bereitstellung von Strom, Wärme und ggf. Kälte oder kinetischer Energie. Dazu errichtet und betreibt der Contractor entsprechende Anlagen für die Bereitstellung der jeweiligen Energieform auf angrenzenden Flächen oder direkt auf dem Gelände des Contracting-Kunden. Oftmals nutzt der Contractor die Räumlichkeiten, welche durch die alte Heizanlage des Contracting-Nehmers belegt waren. Der Vorteil liegt für den Contracting-Kunden vor allem darin, sich nicht um die Anlage an sich kümmern und keine Investition tätigen zu müssen. Der Contractor hingegen ist bemüht die benötigte Energie möglichst kostengünstig zu gewinnen und Nutzenergieverluste möglichst zu vermeiden. Da der Contractor Aufwand und Investitionen refinanzieren muss, sind bei dieser Contractingform lange Vertragslaufzeiten von 10 Jahren bis über 20 Jahre üblich. Aufgrund dieser langen Bindung ist bei der Vertragsgestaltung besonders auf angemessene Preisanpassungsklauseln zu achten.


Je nach Anlagengestaltung hat der Contractor zudem die Möglichkeit, seine Anlagen in virtuellen Kraftwerken zu bündeln und somit durch den Handel von Regelenergie zu profitieren. Daher ist diese Contractingform besonders für die etablierten Stromkonzerne interessant. Mediale Aufmerksamkeit erlangten in diesem Zusammenhang die Konzerne Vattenfall mit dem „virtuelles Kraftwerk“ genannten Projekt und die LichtBlick AG mit Ihrem Zuhausekraftwerk bzw. Schwarmstrom Projekt. Weitere Informationen dazu finden Sie auch in unserem Artikel Contracting Anbieter.


Nächste Seite » 7. Investmentwarnung

Zur Seitenübersicht und Navigation

Kommentare sind geschlossen.